Manipulierte Trennungskinder
Wenn der Vater zum Feindbild wird
Nach einer Trennung den Kontakt zu den eigenen Kindern zu halten, ist oft mit großen Herausforderungen verbunden – nicht zuletzt durch Konflikte zwischen den Elternteilen. Ein besonders schwerwiegendes Problem ist die gezielte Entfremdung eines Elternteils vom Kind, ein Phänomen, das im Fachjargon als „Eltern-Kind-Entfremdung“ bezeichnet wird. Dabei wird ein Elternteil systematisch schlechtgeredet, sodass das Kind Angst entwickelt und den Kontakt verweigert. Eine fast ausweglose Situation für die Betroffenen.
Ein Leben im Schatten des Familiengerichts
Jonas’ Geschichte beginnt harmlos: Auf den ersten Blick wirkt seine angemietete Wohnung wie ein Paradies für Kinder – Spielsachen, Bastelmaterial und Brettspiele füllen die Räume. Doch hier lebt er nicht, denn sein eigentlicher Wohnort liegt zwei Stunden entfernt. „Ich habe die Wohnung nur angemietet, um meine Tochter zu sehen“, erklärt er. Einmal pro Woche, vier Stunden lang, darf er sie treffen – unter Aufsicht.
Jonas, der aus rechtlichen Gründen anonym bleibt, erzählt von seiner Vorsicht: „Alles, was ich tue, könnte vor Gericht gegen mich ausgelegt werden.“ Besonders, wenn es um das Thema Kindeswohl geht. Öffentlich über seine Erlebnisse zu sprechen, ist für ihn ein Wagnis – aber auch eine Möglichkeit, seiner Ohnmacht Ausdruck zu verleihen.
Der langsame Verlust des Kontakts
Nach der Trennung lief zunächst alles gut, sagt Jonas. Für vier Monate lebte das Paar mit ihrer damals zweijährigen Tochter noch nebeneinander her. „Diese Zeit war wunderschön. Ich hatte endlich ungestörte Momente mit meiner Tochter.“ Doch dann änderte sich alles. Die Mutter begann, die gemeinsamen Treffen immer weiter zu reduzieren. Schließlich zog sie ohne Ankündigung in eine weit entfernte Kleinstadt. Jonas war machtlos – trotz gemeinsamem Sorgerecht, das ihm ein Mitspracherecht hätte garantieren sollen.
Loyalitätskonflikte und emotionale Manipulation
Familienmediator Guido R. Lieder kennt solche Fälle aus seiner Arbeit. „Kinder lieben beide Elternteile, das ist durch die Bindungsforschung belegt“, erklärt er. Wenn ein Kind den Kontakt zu einem Elternteil plötzlich verweigert, steckt oft ein massiver Loyalitätskonflikt dahinter. „Kinder fühlen sich unter Druck, sich für einen Elternteil entscheiden zu müssen – eine Belastung, die sie überfordert.“
Die Folgen sind gravierend. Studien zeigen, dass entfremdete Kinder langfristig unter Identitätsverlust, Bindungsproblemen und Depressionen leiden können. Auch für den ausgegrenzten Elternteil ist die Situation oft existenziell belastend.
Statistisch benachteiligt: Väter
In Deutschland sind vor allem Väter betroffen. Kinder leben statistisch gesehen sechs Mal häufiger bei der Mutter, sodass sie oft zum Ziel von Entfremdung werden. Ein ARD-Spielfilm und die begleitende Diskussion beleuchteten kürzlich das Thema. Ein Mann berichtete von seiner Entfremdungserfahrung als Kind: „Meine Mutter sagte immer, mein Vater sei böse. Ich habe ihm erst mit 38 eine Chance gegeben – und festgestellt, dass vieles gar nicht stimmte.“
Auch Jonas kämpft weiter. Trotz Reduzierung seiner Arbeitszeit und regelmäßiger Besuche fühlt er sich ohnmächtig. Ein Vorwurf der Mutter – sexueller Missbrauch – führte zu einem Jahr ohne Kontakt. Erst ein Gerichtsurteil stellte fest, dass es keine Beweise für die Anschuldigungen gab.
Das Wechselmodell als Lösung?
Experten wie Marc Serafin, Leiter des Jugendamts in Sankt Augustin, plädieren für die Einführung des Wechselmodells, bei dem Kinder nach einer Trennung in beiden Haushalten gleichberechtigt leben. „Zwei Eltern sind besser als einer“, sagt Serafin. Dies könne Entfremdung von Anfang an verhindern.
Doch die Realität sieht anders aus. Ein Bericht des Vereins „Papa Mama Auch“ zeigt: Viele Jugendämter und Gerichte handeln unzureichend. Eltern beklagen mangelndes Fachwissen und Ignoranz gegenüber dem Problem der Entfremdung.
Fazit
Der Fall von Jonas zeigt, wie gravierend die Folgen von Eltern-Kind-Entfremdung für alle Beteiligten sind. Obwohl Jonas inzwischen wieder Zeit mit seiner Tochter verbringen darf, ist der Weg zur Normalität lang. Der Wunsch bleibt: Gleichberechtigter Elternteil zu sein – und nicht nur Gast im Leben des eigenen Kindes.