Die Scheidungs-Krise als Chance: Für Männer geht es wieder aufwärts
Die Lebensmitte ist für viele Männer eine Zeit des Umbruchs – voller Zweifel, Unsicherheiten und neuer Fragen. Doch gerade in dieser Phase liegt eine große Chance: die Möglichkeit, das eigene Leben bewusster zu gestalten und neue Erfüllung zu finden. Die Psychologin Pasqualina Perrig-Chiello erklärt, warum die Midlife-Krise kein Grund zur Resignation sein muss und wie Männer gestärkt aus dieser Phase hervorgehen können.
Gibt es die Midlife-Krise wirklich?
Der Begriff „Midlife-Krise“ ist seit rund 40 Jahren in unserem Wortschatz etabliert. Doch ist er wissenschaftlich fundiert oder lediglich ein Klischee über Männer, die plötzlich Motorräder kaufen und jüngere Partnerinnen suchen?
Laut Pasqualina Perrig-Chiello ist die Midlife-Krise tatsächlich eine realistische, wissenschaftlich belegte Lebensphase. Studien zeigen, dass die Lebensmitte – etwa ab Mitte 40 – eine besonders krisenanfällige Zeit ist. Diese Phase wird häufig begleitet von:
- Selbstzweifeln
- Ängsten vor dem Altern
- Fragen nach dem Sinn von Arbeit, Partnerschaft und Leben
Die Lebensmitte ist vergleichbar mit anderen Übergangsphasen wie der Pubertät oder dem Renteneintritt. Statistiken belegen zudem, dass Depressionen, Burnouts und Ehescheidungen bei Männern in diesem Alter besonders häufig auftreten.
Was verbindet die Krisen der Lebensmitte?
Trotz der individuellen Unterschiede haben viele Männer in der Lebensmitte eine zentrale Frage gemeinsam: „Welchen Sinn hat mein Leben?“
- Was bedeutet mein Job für mich?
- Ist meine Beziehung noch erfüllend?
- Habe ich meine Träume verwirklicht, oder habe ich das Gefühl, etwas verpasst zu haben?
Dieser innere Konflikt entsteht oft, weil vieles im Leben etabliert ist, aber nicht mehr dieselbe Begeisterung oder Motivation hervorruft wie früher. Pläne, die man vielleicht als junger Mann hatte, erscheinen plötzlich unerreichbar, und die Endlichkeit des Lebens wird bewusster wahrgenommen.
Leider wird die Midlife-Krise oft belächelt – von anderen und von einem selbst. Männer tendieren dazu, diese Zweifel zu verdrängen oder sich durch Arbeit oder Ablenkung abzulenken. Das kann jedoch zu größeren Problemen führen, wie Entfremdung in der Partnerschaft oder körperlichen und psychischen Belastungen.
Wie unterschiedlich gehen Männer und Frauen mit der Lebensmitte um?
Männer:
- Partnerzentriert: Männer sprechen selten offen über ihre Ängste und Sorgen. Sie wenden sich meist an ihre Partnerin, nicht jedoch an Freunde oder andere Vertraute.
- Radikale Entscheidungen: Aus verdrängten Konflikten resultieren oft drastische Schritte: Ein plötzlicher Jobwechsel, der Rückzug in Extremsituationen (z. B. Kloster) oder das Ende einer langjährigen Beziehung.
Frauen:
- Netzwerkorientiert: Frauen tauschen sich häufiger mit anderen aus, etwa mit Freundinnen oder Familienmitgliedern, was ihnen hilft, Belastungen besser zu verarbeiten.
- Pragmatischer Umgang: Sie suchen aktiv Unterstützung und verlassen sich weniger auf ihren Partner als einzigen Ansprechpartner.
Diese Muster führen dazu, dass Männer tendenziell schwerere Krisen erleben als Frauen, dafür aber oft auch radikalere Veränderungen vornehmen, um sich neu zu orientieren.
Persönlichkeitsfaktoren: Wer kommt besser durch die Krise?
Der Umgang mit der Midlife-Krise hängt stark von der Persönlichkeit ab:
- Offene, vorausschauende Männer haben es leichter, sich mit Veränderungen zu arrangieren. Sie sind bereit, ihre Lebenssituation zu hinterfragen und sich neuen Möglichkeiten zuzuwenden.
- Ängstliche oder sicherheitsorientierte Männer tun sich schwerer. Sie neigen dazu, an vertrauten Strukturen festzuhalten, was die Krise verstärken kann.
Wer frühzeitig über Probleme spricht und sich aktiv mit den eigenen Wünschen auseinandersetzt, hat bessere Chancen, gestärkt aus dieser Lebensphase hervorzugehen.
Warum die Midlife-Krise eine Chance sein kann
Die Lebensmitte ist nicht nur eine Phase der Unsicherheit, sondern auch eine Zeit für bewusste Veränderungen und neues Wachstum. Sie bietet Männern die Gelegenheit, innezuhalten und sich neu auszurichten:
- Beruflich: Viele Männer entdecken neue Interessen oder setzen sich berufliche Ziele, die mehr Sinn und Zufriedenheit bringen.
- Persönlich: Beziehungen können überdacht und – wenn nötig – verbessert oder beendet werden, um Raum für persönliche Entwicklung zu schaffen.
- Körperlich: Der Fokus auf Gesundheit und Wohlbefinden nimmt zu, was langfristig positiv wirkt.
Mit einem offenen Blick kann die Midlife-Krise als eine Art „zweite Pubertät“ verstanden werden – eine Gelegenheit, das eigene Leben noch einmal neu zu gestalten.
Fazit: Es geht wieder aufwärts
Die Midlife-Krise ist kein Mythos, sondern eine reale Herausforderung für viele Männer. Doch sie muss nicht negativ verlaufen. Mit Offenheit, Selbstreflexion und dem Mut, sich mit den eigenen Fragen auseinanderzusetzen, kann die Lebensmitte eine der erfüllendsten Phasen Deines Lebens werden.
Wichtig ist, rechtzeitig die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen, Hilfe anzunehmen und mutig neue Wege einzuschlagen. Denn: Es ist nie zu spät, das Leben bewusster und glücklicher zu gestalten.